25.02.13 - 11:27 Uhr
Gott hat Humor und ist Sänger
Nachdem Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat (oder umgekehrt),
folgert der Satiriker Ephraim Kishon messerscharf: Gott hat Humor. Das
Seekirchner Vokalensemble Einklang spinnt diesen Gedanken weiter und kommt
zum Schluss, Gott muss auch Sänger sein. Vermutlich Solist.
Weil sich die Sängerinnen und Sänger von Einklang aufrichtig darüber freuen, dass Gott
auch ab und an auf der Vokalbühne steht, beginnen Sie das Konzert ehrenhalber
mit „I will greatly rejoice“ (to the Lord). Ob ER an diesem Sonntagvormittag
gerade zuhört oder in der Kirche verweilt, ist nicht bekannt. Aber ER
schickte rund 150 seiner Ebenbilder und füllte damit das Emailwerk bis an den
Rand.
Dermaßen motiviert hält Leo Fellinger als Chor- und Platzsprecher eine erhabene Eröffnungsrede, frischt das Allgemeinwissen über sakrale Chorliteratur etwas auf und heißt das Publikum an diesem stimmungsvollen Sonntag herzlich willkommen.
Danach wird es mit „O Herr Jesu Christe“ und „Zur Michelo Akhalnu“ sehr besinnlich.
Chorleiter Roman Öschlberger führt sein Ensemble äußerst gefühlvoll durch die
Stücke und der Klang fließt weich durch die hebräischen Zeilen. Eine
besondere Harmonie zwischen Zuhörern und Sängern breitet sich an diesem
Vormittag im Emailwerk aus.
Kurze Texte werden von den Ensemblemitgliedern gelesen. Ephraim Kishon,
Rainer-Maria Rielke, Friedrich Nietzsche und Franz Alt leiten jeweils ein
neues Kapitel aus dem umfassenden Buch geistlicher Chorliteratur ein.
Brillant arbeitet Einklang stimmlich die maßgebenden Züge der einzelnen
Stücke heraus und führt das Publikum so an die Seele, die Essenz der Werke
heran. Und mit den unterschiedlichen Intentionen der Komponisten dieser Werke
ruft der Chor auch deren ursprüngliche Botschaften, so fühlt man es, wieder
in Erinnerung. Beginnend bei der festlichen Ausprägung eines „Locus Iste“ von
Anton Bruckner bis zur zerreißenden Traurigkeit von „I’m troubled“.
Dass der Charakter eines Stückes stark von Entstehungszeit- und –ort geprägt ist und
nicht ohne weiteres in jede andere Epoche oder jeden Kulturkreis transferiert
werden kann, zeigt zum Beispiel „O Schlüssel Davids“. Der Jahrhunderte alte
>Freudengesang< für die letzten Tage vor Weihnachten, wirkt auf unsere
Ohren beinahe einschüchternd. Demgegenüber erfährt man den Gospel „Soon Ah
Will Be Done“ nahezu beschwingt, obgleich der Verfasser auf die baldige
Erlösung von Weinen und Jammern hofft.
Mit beeindruckender Präzision und noch viel mehr Hingabe arbeiten Öschlberger und
seine SängerInnen jede tonale Nuance heraus und erwecken mit ihrem herrlichen
Spiel aus Klangfarbe und Lautstärke alte und älteste Literatur wieder zum
Leben. Das Publikum im Emailwerk erlebte eine abwechslungsreiche und
energiegeladene Matinee und verabschiedete Chor und Chorleiter mit viel und
herzlichem Applaus. Vergelt’s Gott.
(MW)